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ZDFzoom: Der Germanwings-Absturz – Die Katastrophe und viele Fragen 23.03.2016

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Beim Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen starben am 24. März 2015 150 Menschen. Laut Ermittlern lenkte der Co-Pilot das Flugzeug vorsätzlich gegen die Berge. In der „ZDFzoom“-Dokumentation „Der Germanwings-Absturz – Die Katastrophe und viele Fragen“ kommen am Vorabend des Jahrestages, am Mittwoch, 23. März 2015, 22.50 Uhr, im ZDF, Angehörige von Opfern und Insider des Flugbetriebes zu Wort. Durch die Interviews zieht sich die Frage nach der Verantwortung für das Unglück. Co-Pilot Andreas Lubitz litt während seiner Ausbildung an einer Depression und war zum Unglückszeitpunkt krankgeschrieben. Weder sein Arbeitgeber noch die Flugaufsichtsbehörde hatten offenbar mitbekommen, dass sich sein psychischer Zustand verschlimmert hatte. Die Filmautoren Dorthe Ferber und Sebastian Galle gehen der Frage nach, an welchen Stellen die Überwachung von Piloten lückenhaft ist.

Für den Fliegerarzt Robert Betz zeigt der Fall Lubitz die Absurdität des Überwachungssystems. Lubitz hatte Vermerke in seiner Lizenz und im Tauglichkeitszeugnis. Betz kritisiert im Interview mit „ZDFzoom“: „Die Sondergenehmigung war erteilt, und niemand hinterfragt sie mehr in der Zukunft. Aus meiner Sicht hätte man bei jeder Tauglichkeitsuntersuchung eine psychologisch-psychiatrische Begutachtung verlangen sollen. Das Problem ist, dass sich der eine auf den anderen verlässt.“ Betz sieht in der Zusammenarbeit von Fliegerärzten und Luftfahrt-Bundesamt große Lücken mit fatalen Folgen: „Heute hat das Luftfahrtbundesamt die anonymisierten Befunde, aber nicht den Namen des Piloten, dem die Tauglichkeit aberkannt worden ist. Es ist möglich, dass Vorerkrankungen verschwiegen werden, dass ein Pilot „Doctor Hopping“ betreibt, dass er so lange verschiedene Ärzte besucht, bis er das gewünschte Ergebnis hat. Damit unterscheidet sich das deutsche System entscheidend von internationalen Normen.“

Die Europäische Union kritisiert seit Jahren, dass in Deutschland die Kontrollaufsicht nicht funktioniert. Dabei wird den Mitgliedsländern ein engmaschiges Überwachungssystem vorgeschrieben. Die Behörden müssen genaue Kenntnis über die Pilotenchecks erhalten. Dass Deutschland sich nicht daran hält und gar nicht halten kann, macht den Bundestagsabgeordneten Stephan Kühn von Bündnis 90/Die Grünen, der Mitglied im Verkehrsausschuss ist, besorgt. Im Interview mit „ZDFzoom“ sagt er: „Die fliegerärztliche Kompetenz beim Luftfahrtbundesamt ist problematisch. Im Moment ist es so, dass das Luftfahrtbundesamt noch nicht einmal sagen kann, wie viele flugmedizinische Tauglichkeitsuntersuchungen es in den vergangen Jahren gegeben hat, weil es nirgends vernünftig in einer Datenbank gespeichert ist.“ Nach der Germanwings-Katastrophe sei zwar geplant, eine zentrale Datenbank aufzubauen, aber Kühn hat starke Zweifel, dass damit eine schnelle Lösung gefunden sei: „Wenn mir die Bundesregierung nicht beantworten kann, wie viele Flugtauglichkeitsuntersuchungen es in den zurückliegenden Jahren gab, dann ist mir ziemlich klar, dass das sicherlich nicht von heute auf morgen stattfinden wird.“ „ZDFzoom“-Nachfragen dazu hat das Luftfahrtbundesamt nicht beantwortet.

Die Anwälte der Hinterbliebenen haben Mitte März eine millionenschwere Zivilklage gegen die Flugschule in Arizona, USA, eingereicht, in der der Co-Pilot ausgebildet wurde. Rechtsanwalt Elmar Giemulla, der viele Angehörige vertritt, hinterfragt auch die Vorgänge innerhalb der Airline. Er fordert, dass alle Akten im Fall Lubitz aufgearbeitet werden. Der Anwalt sieht in der Klage in den USA die Chance, weitere Informationsquellen anzuzapfen: „Wir haben in den Vereinigten Staaten, anders als in Deutschland die Möglichkeit, als Anwälte selbst Beweise zu erheben“. Lufthansa verweist auf Nachfrage auf den Abschlussbericht der französischen Ermittler. Demnach sei die Vorerkrankung von Andreas Lubitz bei allen Tauglichkeitsuntersuchungen bekannt gewesen, seine Tauglichkeitszeugnisse seien zwischen 2010 und 2014 regelmäßig erneuert oder verlängert worden.