Karlsruhe, im April 2016. Der bemannte Erstflug des weltweit einzigen zugelassenen Multicopters, dem Volocopter VC200, läutet den Beginn einer neuen Ära in der Fortbewegung der Menschheit ein. Die Karlsruher e-volo GmbH will mit dem Volocopter den Traum vom Fliegen ab 2018 für jedermann möglich machen. Der Volocopter ist dank elektrischem Antrieb zudem umweltfreundlich und leise. Selbstfliegende Lufttaxis bis hin zu ganzen Transportnetzwerken in der dritten Dimension sind mit der nun erfolgten Validierung dieser Technik in greifbare Nähe gerückt.
Im Februar 2016 hatte der Volocopter VC200 von der zuständigen deutschen Luftfahrtbehörde bereits die vorläufige Verkehrszulassung (VVZ) als Ultraleicht-Luftfahrtgerät erhalten. Im Rahmen des Erprobungsprogramms hat das Karlsruher Unternehmen nun damit begonnen, bemannte Flüge durchzuführen. Beim historischen Erstflug am 30.03.2016 saß Geschäftsführer Alexander Zosel an einem Flugplatz nahe Karlsruhe am Steuer.
„Der Flug war total super” sagte Alex Zosel direkt nach seiner Landung. „Das Gerät war absolut zuverlässig, es hat keine Vibrationen gehabt, es war gigantisch. Also der erste Flug war einfach unglaublich. Ich habe mich reingesetzt, wir haben Vorchecks gemacht vielleicht 20 Sekunden gefühlt, dann habe ich schon die Freigabe für den Flug erhalten. Ich habe nicht lange gezögert, ich habe einfach den Hebel nach oben gedrückt und der Volocopter ist einfach mit einem Satz nach oben gesprungen. Es war unglaublich, es war ein total schwereloses Schweben, also es hat sich überhaupt nicht angefühlt als wären da wahnsinnige Kräfte am Werk, sondern es war alles total leicht und jede Bewegung, die ich mit dem Joystick gemacht habe, hat er sofort umgesetzt.
Es ist schon ein erhabenes Gefühl, abzuheben, zu fliegen die ersten Meter und dann wirklich mal die Hand vom Joystick wegzunehmen und zu merken, ja es ist als würde ich auf dem Boden stehen und dann gucke ich runter und es sind 20-25 Meter. Also es ist schon unglaublich was wir da geschaffen haben. Es ist echt unglaublich!“
Das völlig neuartige, senkrechtstartende Fluggerät ist dank seiner innovativen Flugsteuerung extrem leicht zu fliegen. Gesteuert wird der Volocopter einhändig lediglich mit einem Joystick. Alex Zosel demonstriert diese Eigenschaft eindrucksvoll, als er während dem Premierenflug seine Hand vom Joystick nimmt, um seinem Team zu applaudieren. Ein umfassendes Redundanzkonzept für alle kritischen Bauteile ermöglicht darüber hinaus die Kompensation von Ausfällen einzelner Komponenten. So ist selbst beim Ausfall mehrerer Antriebe ein sicheres Landen gewährleistet. Im Rahmen der Zulassung wurden beeindruckende Ausfallszenarien am Volocopter umfangreich demonstriert. Zudem ist der Volocopter leise und durch den reinen Elektroantrieb mit seinem schnell austauschbaren Wechselakkusystem absolut emissionsfrei.
Technische Unterstützung wurde von dem deutschen Drohnenhersteller Ascending Technologies geleistet, der vor kurzem vom US-Chiphersteller Intel übernommen worden war.
„Intel gratuliert e-volo für diese Leistung“, sagte Josh Walden, Senior Vice President und General Manager von Intel.
„Technologie von Ascending Technologies assistiert in den Flugsteuerungen, der Motorelektronik und Schlüsselkomponenten, die Multirotor UAV-Technologie zu dieser neuen Art von Fluggerät erweitert. Wir freuen uns darauf die Entwicklung weiterer bemannter und unbemannter Systeme in der Zukunft zu unterstützen.“
Durch die Gesellschafterrolle von Ascending Technologies wurde Intel Capital nun zu einem direkten Gesellschafter der e-volo GmbH. Stephan Wolf, Mitgründer und Geschäftsführer der e-volo GmbH, freut sich: „Intel hat stark in den Markt der unbemannten Flugsysteme (UAV) investiert und ist heute eines der global führenden Unternehmen in diesem Bereich. Aus dieser Kooperation erwachsen große Vorteile für unsere Volocopter.“
Nächstes Ziel von e-volo ist es, die Musterzulassung zu erhalten und den Volocopter in Serie zu produzieren. Somit wird in den kommenden 2 Jahren der Markteintritt im etablierten Luftsportbereich ähnlich den Tragschraubern und Helikoptern erfolgen. In einem weiteren Schritt der Entwicklung sollen Lufttaxi-Services auf zunächst einzelnen vorgegebenen Strecken beispielsweise als Flughafenzubringer oder an sensiblen Verkehrsknotenpunkten wie Brücken etabliert werden. Mittelfristig können mit dem Volocopter gänzlich neue, zunehmend autonome Mobilitätskonzepte angeboten werden, bei denen der individuelle sowie öffentliche Nahverkehr teilweise in die Luft verlagert wird.
Florian Reuter aus der e-volo Geschäftsführung hat im März auf Einladung der NASA auf dem „On Demand Mobility“ Workshop in Washington Fachleuten aus Luft- und Raumfahrt die neusten Entwicklungen rund um den Volocopter präsentiert. In dem Workshop wurden auch die rechtlichen Rahmenbedingungen besprochen, die international angepasst werden müssen, um individuellen Flugverkehr im urbanen Raum für jedermann zu ermöglichen. Die NASA hatte hierzu vorab eine Studie veröffentlicht, die den positiven Beitrag eines solchen Systems zur Behebung der täglichen Verkehrsprobleme im Silicon Valley aufzeigt.
Startschuss für bemanntes Testflugprogramm
Der Erstflug von Alex Zosel markiert den Beginn des Testflugprogramms mit dem Volocopter, das in drei Phasen durchgeführt wird. In der ersten Flugphase sind Flüge mit einer Geschwindigkeit von maximal 25 km/h bei niedriger Höhe vorgesehen. In der zweiten Testphase sollen Flugmanöver mit einer Fluggeschwindigkeit bis 50 km/h in mittlerer Höhe durchgeführt werden. Testflüge innerhalb der dritten Testphase dienen der Validierung des Systems in größeren Höhen und im vollständigen Geschwindigkeitsspektrum des VC200 bis 100 km/h.
Unbemannte Testflüge als Wegbereiter der Zulassung
Im Vorfeld der Erteilung der Zulassung hatte das e-volo-Team Erfahrungen bei über 100 unbemannten Testflügen gesammelt. Mithilfe einer professionellen Fernsteuerung führte das Team Belastungstests des Gesamtsystems, einzelner Baugruppen und einzelner Komponenten durch und schaltete u.a. Antriebsmotoren, Akkus sowie Flugsteuerungen im Flug aus. Auch speisten die Tester bei den Flügen Fehlinformationen von „defekten“ Sensoren ins Steuersystem ein. Des Weiteren führten sie unbemannte Flüge bei turbulenten Wetterbedingungen durch.
Somit hat e-volo schon vor Markteinführung der Volocopter eindrucksvoll bewiesen, dass diese Fluggeräte schon heute weitgehend autonom fliegen können. Doch bis autonomes Fliegen zugelassen wird, müssen die internationalen Regularien noch weiter angepasst werden – ein Prozess, der in Politik und Behörden bereits angestoßen ist.
Technische Beschreibung des Volocopters
Der Volocopter ist aus Faserverbundwerkstoffen in Leichtbauweise gefertigt und beherrscht neben dem Reiseflug die Fähigkeit zum senkrechten Starten und Landen sowie auf der Stelle schweben. Das Fluggerät ist vollständig elektrisch angetrieben. Die Elektromotoren der 18 Antriebseinheiten werden von 9 unabhängigen Akkus versorgt. Der Leistungsbedarf des VC200 beträgt im Schwebezustand bei einem Abfluggewicht von 450 kg je nach Luftdruck/Temperatur in etwa 50 kW. Der Volocopter erreicht systemweit einen hohen Grad an Ausfallsicherheit durch redundante Auslegung. Dieses Prinzip realisiert der VC200 in allen für einen sicheren Flugbetrieb nötigen Systemteilen und -komponenten. Die für den der Schwerkraft entgegengesetzten Auftrieb nötige Schubkraft erzeugen beim Volocopter 18 individuell und unabhängig angetriebene Rotoren mit jeweils zwei feststehenden Blättern. Im Unterschied zum Hubschrauber kann beim VC200 der Anstellwinkel der einzelnen Rotorblätter nicht verstellt werden. Die Größe der erzeugten Schubkraft wird einzig durch die Drehzahlen der einzelnen Rotoren bestimmt.
Durch geeignete Kombination der durch Drehzahlunterschiede der einzelnen Rotoren erzeugten Drehmomente um die Hochachse (Gieren) und senkrecht dazu (Nicken/Rollen) sowie durch Verändern des von allen Rotoren gemeinsam erzeugten Gesamtschubes, kann der Volocopter alle drei rotatorischen Freiheitsgrade (Nicken, Rollen, Gieren) und aufgrund der festen Ausrichtung der Rotoren einen translatorischen Freiheitsgrad (vertikal, „nach oben/unten“) direkt beeinflussen. In Kombination mit dem Lagewinkel kann er insgesamt jedoch Flugbewegungen zusätzlich indirekt auch horizontal („nach vorne/hinten“ und „nach rechts/links“) ausführen und beherrscht damit allen sechs möglichen rotatorischen und translatorischen Freiheitsgrade.
Obwohl der Volocopter aufgrund seiner mehreren Rotoren mit festem Blattanstellwinkel zunächst instabile Flugeigenschaften aufweist, sorgt sein mehrfach redundantes Flugsteuerungssystem für eine exakte Fluglage- und Positionsstabilität. Im Vergleich zu herkömmlichen Luftfahrzeugen sogar wesentlich stabiler. So folgt er exakt den Pilotenvorgaben und gleicht äußere Einflüsse weitestgehend selbständig aus. Dies entlastet den Piloten, der den Volocopter dadurch auch in schwierigen Umgebungsbedingungen sicher steuern kann.
Das Flugsteuerungssystem besteht aus mehreren vollständig unabhängigen Einheiten. Jede Flugsteuerungseinheit beinhaltet einen vollständigen Satz Lagesensorik, bestehend aus Druckmesser, Gyroskop, Beschleunigungsmesser und Magnetfeldmesser für alle drei Raumachsen. Jede Flugsteuerungseinheit ist für sich alleine in der Lage den VC200 vollständig zu kontrollieren. Dabei steuert der Pilot mit nur einer Hand alle Flug-Achsen intuitiv über Achs- und Drehbewegungen des Joysticks. Die Pilotenvorgaben für Steigen und Sinken erfolgen mit einem Daumen-Höhenregler. Zur Landung drückt der Pilot den Höhenregler einfach komplett nach unten, bis der Volocopter am Boden steht. Die Steuerung verlangsamt in Bodennähe automatisch das Sinken und der Volocopter setzt sanft auf.
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