Traum zerplatzt: Adilson Kindlemann hatte seit drei Jahren davon geträumt, in seiner ersten Red Bull Air Race-Saison in seiner Heimat vor einer Millionenkulisse und seinen brasilianischen Landsleuten zu fliegen. Aber drei Wochen nach seinem Unfall in Perth, bei dem seine MXS-R zertrümmert wurde, muss er diese Pläne erst einmal auf Eis legen.
Der umgängliche Brasilianer, der beim ersten Rennen in Rio als Zuschauer vom Red-Bull-Virus infiziert wurde, überstand den ersten Unfall in der nunmehr sechsjährigen WM-Geschichte fast unverletzt. Auch Kindlemann selbst ist noch überrascht über sein Glück. Allerdings wird es etwa drei Monate dauern, bis er wieder in den Wettkampf eingreifen kann. Nicht zuletzt deshalb, weil er dazu einige Voraussetzungen erfüllen muss. Zum einen gilt es eine bestimmte Anzahl von Stunden im neuen Rennflugzeug zu absolvieren, zum anderen muss er Auflagen des Sportmedizinischen Direktors erfüllen.
„Natürlich bin ich enttäuscht, dass ich in Rio nicht fliegen kann – das war drei Jahre lang mein großer Traum“, erklärt Kindlemann vor dem dritten Rennen der Saison 2010 am Wochenende. „Aber ich bin auch Realist. Weil so wenig Zeit zwischen den Rennen liegt, konnte das eigentlich auch nicht hinhauen. Aber die Freude darüber, dass ich 100 Prozent fit bin, wiegt die Enttäuschung auf. Das einzige, was ich im Fluss verloren habe, waren mein Flugzeug und meine Sonnenbrille.“
„Kaum zu glauben…“
Kindlemanns Flugzeug schlug während eines Trainingslaufs auf den Swan River in Perth auf. Es war der erste Unfall in den 45 bisherigen WM-Rennen. Er selbst erlitt nur ein leichtes Halswirbelsäulen-Schleudertrauma und wurde in einer nur wenige Minuten dauernden, bilderbuchmäßigen Rettungsaktion vom Red-Bull-Taucherteam aus dem Flugzeug befreit.
„Manchmal kann ich es noch nicht richtig glauben, dass das wirklich passiert ist“, sagt Kindlemann. Um alles besser zu verstehen hat er das Video seines Unfalls bereits mehrere Male angeschaut. Seither verbrachte Kindlemann viel Zeit bei seiner Familie in Curitiba; er schmiedet jedoch auch schon wieder Pläne für sein Comeback auf dem „alten Kontinent“ – mit den Rennen in Deutschland, Ungarn und Portugal.
„Ich muss dann wieder komplett von vorne beginnen“, erklärt Kindlemann. „Ich möchte so früh wie möglich wieder in den Rennzirkus einsteigen und deshalb in Kürze beginnen, mit dem neuen Flugzeug zu trainieren. Wir haben ein paar Optionen auf eine neue Maschine. Aber bis jetzt haben wir noch nichts festgelegt, da sind noch ein paar Meetings nötig. Es wäre super, wenn ich in den kommenden sieben bis zehn Tagen wieder mit dem Training beginnen könnte – allerdings nicht direkt in einem Rennflugzeug. Das wird noch ein wenig länger dauern. Es ist noch eine Menge Arbeit, bevor das neue Rennflugzeug wirklich fertig ist. Ich werde erst mit Aerobatics beginnen und später dann die ersten Renn-Manöver absolvieren. Es ist ein längerer Prozess, aber ich kann es kaum erwarten.“
Alles braucht Zeit
Kindlemann und sein Technischer Direktor Adrian Judd zeigten sich sehr beeindruckt von der MXS-R. „Es ist unglaublich“, so Kindlemann. „Ich wusste, dass das Flugzeug wirklich beanspruchbar ist. Aber wirft man einen Blick ins Cockpit, dann wird deutlich, wie stark es wirklich ist. Den Beweis dafür haben wir ja jetzt.“
Red Bull Air Race-Flugdirektor Heinz Möller bestätigte, dass Kindlemann – auch wenn er seine Flug-Erlaubnis zurückerhalten hat – noch ein wenig Zeit benötigt, bevor er wieder ins Geschehen einsteigt. „Die Piloten müssen zusätzliche Anforderungen erfüllen und im Augenblick ist Kindlemann dabei, diese Freigabe zu erhalten“, sagt Möller. „Das braucht halt etwas Zeit. Wir rechnen damit, dass das bis Mitte des Jahres erledigt ist. Wenn dann alles ok ist, kann er wieder bei Rennen starten. Medizinisch ist alles im Plan, aber die weiteren Auflagen werden noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen.“
Kindlemann ist zuversichtlich, dass er spätestens im kommenden Jahr eine neue Chance erhält, in seiner Heimat zu starten. In Südamerikas größtem Land hat die Red Bull Air Race-Weltmeisterschaft inzwischen eine unglaubliche Popularität gewonnen – und daher dürfte auch am Sonntag beim Rennen mit einer weiteren Rekordkulisse von etwa einer Million Zuschauer zu rechnen sein.
„Brasilien ist ein ganz besonderes Land, hier liegen auch die Wurzeln des Flugsports“, ergänzt Kindlemann. Er bezieht sich dabei auf Alberto Santos Dumont, einen Flugsport-Pionier, der 1906 den ersten offiziellen Flug mit einem sogenannten „Starrflieger“ – mit fixierten Flügeln – unternahm. „Die Brasilianer sind ganz heiß auf Motorsport, lieben die Formel 1, aber auch das Red Bull Air Race. Sie lieben Tempo und Emotionen. Viele Fans haben mir Nachrichten wie ‚Adi, wir stehen Dir bei‘ geschickt und geschrieben, dass sie auf meine schnelle Rückkehr zählen. Diese Renn-Location hat eine große Zukunft. Und es bleibt mein Traum, in Brasilien einmal an den Start zu gehen…“