ST. PETERSBURG, Russland – Auch wenn er den Ruf als einer der talentiertesten Präzisionsflieger genießt und zu den höchst dekorierten Kunstflug-Piloten im ganzen Circuit gehört – bisher hat der zurückhaltende Pilot aus Russland noch keinen Podiumsplatz beim Red Bull Air Race erreichen können. Sergey Rakhmanin feiert in diesem Sommer bereits sein 30. Jahr als Pilot aber in dieser Saison konnte er noch kein Edelmetall mit nach Hause nehmen. Dennoch ist der Russe ganz philosophisch, wenn er auf seinen „Werdegang“ und seinen Weg in die international spektakulärste Motorsport-Serie zurückblickt.
„Natürlich hätte ich nie damit gerechnet, dass ich eines Tages vor der Freiheitsstatue in New York fliegen würde“, erzählte Rakhmanin kurz nach der Premiere des Red Bull Air Race im „big apple“ im Juni vor den Augen von 75,000 Zuschauern an den Ufern des Hudson River. „Aber ich bin ganz klar sehr glücklich darüber, dass ich durch meine Karriere als Pilot eine solche Erfahrung machen durfte. Kunstflug-Meisterschaften und diese Motorsport-Serie sind wirklich grundverschieden – sogar die Philosophie, die hinter beiden steckt.“
Sich auf neue Herausforderungen einstellen
Bekannt für seinen ausgeklügelten und fast schon wissenschaftlichen Ansatz, hebt der Russe auch gleich hervor, dass es bei den Rennen hauptsächlich um Zeit, Geschwindigkeit und Flugbahnen geht. Und das steht im völligen Gegensatz zu der Welt des Kunstflugs, wo der Schlüssel zum Erfolg in der Geometrie und Präzision liegt. Und gerade weil man häufig auf seine Erfolge im Kunstflug schielte, war Rakhmanin oft in Erklärungsnot, warum er diese für ihn neue Disziplin noch nicht erfolgreich beherrscht.
„Man könnte es so vergleichen – ein Eiskunstläufer, auch wenn er schon Medaillen gewonnen hat, würde nie auf Anhieb ein guter Eisschnellläufer sein“, erklärt Rakhmanin den Unterschied denjenigen, die sich mit den höchsten Kategorien im Kunstflug vielleicht nicht so gut auskennen. „Ob man 100 Meter über Grund fliegt oder gerade einmal 15 Meter – das ist schon ein gewaltiger Unterschied und fordert auch eine große zusätzliche geistige Anstrengung. Aber das ist noch nicht alles – das Red Bull Air Race ist ein sehr technischer Sport und sowohl meine Rennmaschine als auch ich als Pilot müssen 100 Prozent geben. Im Kunstflug kann ich auch mit einer Maschine, die 15 km/h weniger Leistung bringt, ein gutes Ergebnis erreichen. Beim Red Bull Air Race aber könnte ich mich damit direkt verabschieden…“
Die richtige Einstellung
Der zweimalige Kunstflug-Weltmeister (2003 und 2005) hat sein Erfolgsrezept gefunden und er will daran festhalten, auch wenn es ihn mehr Zeit kostet, den ersten Erfolg zu feiern. Rakhmanin ist sehr zurückhaltend, äußerst akribisch und legt großen Wert auf eine gründliche und sorgfältige Vorbereitung. So verbringt er oft Stunden damit, seine Bewegungsabläufe durch ein maßstabgetreues Modell der jeweiligen Rennstrecke auf dem Boden seines Hangars zu perfektionieren, um die Ideallinie zu finden. Aber leider hilft ihm dies im Parcours dann oft nicht weiter und so platziert er sich zumeist nur im unteren Teil des Klassements.
„Die Modifikationen an meiner MXS-R bedeuten derzeit die für mich größte Herausforderung“, so Rakhmanin, der auch mit sauberen Fluglinien nur selten konkurrenzfähige Zeiten vorlegen kann. „Wir müssen an diesem Problem außerhalb Russlands arbeiten, und das ist nicht gerade einfach zu organisieren.“
Glücklicherweise ist der Russe ein absoluter Profi und weiß genau, welchen Weg er einschlagen muss, um irgendwann einmal den begehrten WM-Titel zu gewinnen. Angesprochen auf seine lange Liste an Kunstflug-Erfolgen – darunter der Gewinn des Aresti Cup, den größtmöglichen Erfolg im Kunstflug-Circuit – bleibt Rakhmanin sehr bescheiden.
„Ich habe nie damit geliebäugelt, Weltmeister zu werden. Schon gar nicht zwei Mal. Ich halte es für dumm, sich auf solche Titel zu versteifen. Aber das heißt natürlich nicht, dass ich für diese Titel nicht hart gearbeitet hätte“, so Rakhmanin. „An einem gewissen Punkt meiner Kunstflug-Karriere habe ich begriffen, dass nur der Wunsch Weltmeister zu werden, ganz und gar nicht konstruktiv war. Solche Ambitionen machen überhaupt keinen Sinn. Ich habe realisiert, dass nur meine tiefe persönliche Hingabe und der unbändige Wille, einen sauberen Flug hinzulegen, ein besseres Ergebnis liefern sollte. Und auch wenn sich das nicht sofort in Erfolge ummünzen lässt, so war ich doch mit dem Gesamtverlauf zufrieden. Und diese Einstellung hat mir geholfen. So ist der Kunstflug zu meiner Lebensphilosophie geworden, und das hat mir letztendlich auch diese Ergebnisse eingebracht. Aber wenn man von mir die Aussage erwartet, dass ich unbedingt Weltmeister werden will, nun, dann ist meine Antwort eine andere. Das Red Bull Air Race ist für mich – wie zuvor der Kunstflug – zu einer Lebensphilosophie geworden und ich versuche alles, um so zufrieden wie möglich zu sein. Und ich bin sicher, dass dies irgendwann auch zu besseren Ergebnissen führen wird.“