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„Gouliano“ – von Brasilien für Rio-Rennen adoptiert

98678940DM012_Michael_Gouli Grün und gelb – das sind nicht nur die Farben der brasilianischen Landesflagge. Auch Michael Goulian hat sein Flugzeug in diesen Farben angestrichen – ausgerechnet vor dem Rennen in Rio de Janeiro. Der US-Amerikaner hofft, dass das größte Land Südamerikas ihn für das Rennwochenende in Rio adoptiert. Hinter dieser Maßnahme steht aber auch Brasiliens größtes Unternehmen Petrobras, das sich – wie am Dienstag vor dem Rennen bekanntgegeben – mit einem neuen Sponsorenvertrag hinter den starken US-Amerikaner gestellt hat.

„Ich bin sehr stolz, hier in Rio für Petrobras zu fliegen, und diese brasilianische Kultmarke zu repräsentieren“, sagt Goulian, der in seiner sechsjährigen Karriere als Red Bull Air Race-Pilot überwiegend mit einem grünen Flugzeug gestartet war. Vor allem das strahlende brasilianische Gelb auf seiner Edge 540 gefalle ihm besonders, so Goulian.

Und ähnlich wie die 192 Millionen sportverrückten Brasilianer ihre Fußballhelden mit legendären Namen wie Pele, Romario, Ronaldo oder Ronaldinho würdigen, könnte der US-Amerikaner nun von seinen portugiesisch sprechenden Fans „Michael da silva Goulian“ oder einfach „Gouliano“ gerufen werden. „Wenn ich gut fliege und die Fans und Arbeiter von Petrobras glücklich mache, können sie mich nennen wie sie möchten“, erwidert Goulian mit einem breiten Grinsen. Petrobras, ein multinationaler Energiekonzern mit Sitz in Rio de Janeiro, ist das größte Unternehmen mit Hauptquartier auf der südlichen Halbkugel.

„Gouliano“ hofft auf die Unterstützung der Fans

Genau wie die weiteren 13 Red Bull Air Race-Piloten war auch Goulian sehr erleichtert, dass sich der brasilianische Pilot Adilson Kindlemann bei einem Trainingsunfall vor dem zweiten Saisonrennen in Perth, bei dem sein Flugzeug zerstört wurde, nicht schwerer verletzte. Goulian erwartet den brasilianischen Rookie spätestens zu den europäischen Rennen im August und September zurück. Der US-Amerikaner hofft, dass ihn viele Fans anfeuern werden. Rund eine Millionen Menschen werden zum Rennen am Flamengo Beach erwartet.

Sein erster Sieg gelang Goulian 2009 in Budapest vor mehr als 600.000 Zuschauern. Der Pilot aus Massachusetts, der auf weitere Siege hofft, zeigte seine besten Leistungen jeweils vor großen Zuschauermengen – ein gutes Omen für Rio, wo bereits 2007 rund eine Million Fans das Rennen miterlebten und in diesem Jahr ähnlich viele Fans erwartet werden. „Ich liebe es, wenn sich die Energie der Zuschauer auf mich überträgt und freue mich, an der Küste von Rio endlich loszulegen“, sagte er. „Wir hoffen auf ein großartiges Resultat. Perfekt wäre natürlich eine Wiederholung des Ergebnisses von Budapest im letzten Jahr.“

Lebensfreude

Der 41-Jährige gesteht, dass man oberflächlich nicht den Eindruck gewinnt, als hätten er und Brasilien viel gemeinsam. Aber wenn man ein bisschen genauer hinschaut, entdeckt man tatsächlich einige Gemeinsamkeiten, die ihn zumindest vorübergehend zum „brasilianischen Ehrenbürger“ machen könnten. „Ich habe wirklich das Gefühl, dass ich eine spezielle Beziehung zu den Brasilianern habe und meine Gastgeber sehr stolz machen werde“, sagt Goulian.

Der stets umgängliche Goulian gilt, zusammen mit Kindlemann, als einer der freundlichsten und hilfsbereitesten Piloten in der Weltmeisterschaft. Seine „boa vida“ (gutes Leben) ist unübertroffen im 15-köpfigen Teilnehmerfeld. Aber nicht nur Goulians Lebensfreude verleiht ihm eine brasilianische Aura, sondern auch sein elegant-aggressiver Flugstil, seine Leidenschaft für Motorsport, sein tiefschwarzes Haar, sein dunkler Teint und sein durchtrainierter Körper.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Ostküste: Goulian stammt aus Massachusetts an der Nordatlantikküste, Rio liegt an der Küste des Südatlantik. „Wenn man aus dem nordöstlichen Teil der USA kommt, ist man schlechtes Wetter gewohnt“, sagt er mit einem Lächeln. „Ich wünschte, ich könnte in Boston das ganze Jahr dieses tolle Rio-Wetter haben.“

Goulian fühlt mit Kindlemann. Er selbst verpasste 2007 das Rennen in Rio und musste sich damals von den anderen Piloten anhören, wie toll es ist, vor einer Million Menschen zu fliegen. Jetzt freut sich Goulian umso mehr über die Chance, endlich in Rio zu fliegen. „Bei den Testflügen konnte ich einen Blick auf die eindrucksvolle Landschaft werfen. Wie der Ozean auf die Berge trifft, ist einfach fantastisch. Rio ist atemberaubend aus der Luft. Ich wünschte, dass mehr Leute die Chance hätten, es so zu sehen, wie ich in dieser Woche.“

„Down under“ – Unterwasser-Sicherheitstraining

„Down under under Water“ – Auch das steht beim Red Bull Air Race 2010 auf dem Kalender. Vor dem zweiten Saisonrennen im australischen Perth erhielten die Piloten mit einem speziellen Sicherheitstraining die Gelegenheit, den Notausstieg unter Wasser zu traineren.

PERTH, AUSTRALIA - APRIL 12: Red Bull Air Race Pilots participate in underwater crash survival training at ERGT training facilities on April 12, 2010 in Perth, Australia. Das sogenannte „Emergency Response and Safety Training“ für einen Notfall, den es – gottseidank – noch nie bei einem Red Bull Air Race gegeben hat, beinhaltete Rettungs- und Ausstiegsmaßnahmen unter Wasser und sollte die Piloten auf den „größten anzunehmenden Ernstfall“ vorbereiten – nach einer Wasserlandung im Flugzeug eingeschlossen zu sein.

„Ein solches Sicherheitstraining ist wirklich notwendig“, sagte der Tscheche Martin Sonka, auch wenn in der sechsjährigen Geschichte des Rennens bisher kein Pilot auch nur ansatzweise in die Nähe einer Wasserlandung kam. „Es ist eine Sache, im Notfall aus einem Flugzeug auszusteigen. Aber es ist etwas komplett anderes, wenn man sich im Wasser befindet und womöglich sogar kopfüber. Unter Wasser eingeschlossen zu sein, und dazu noch angeschnallt – das ist eine absolut neue Situation für uns. Umso wichtiger ist dieses Training, um in einem solchen Fall ruhig zu bleiben und weiterhin klar zu denken.“

Mit Sonka stimmt auch der Amerikaner Michael Goulian überein, der neben dem Training für den „Ernstfall“ vor allem wichtig findet, wie man am besten mit der aufkommenden Panik umgeht. „Was einem wirklich Angst macht ist, wenn man auf dem Kopf steht und nicht erkennen kann was passiert“, so Goulian. „Im Flugzeug sind wir daran gewöhnt, auf dem Kopf zu stehen – allerdings befinden wir uns dabei auch nicht im Wasser. Und wenn dann das Wasser hereinströmt und man kaum etwas sehen kann – das ist der Augenblick, in dem man gerne in Panik verfallen würde. Aber gerade dann geht es darum, den Weg nach draußen zu finden, checken, wo das Fenster ist und wie man am schnellsten rauskommt.“

PERTH, AUSTRALIA - APRIL 12: Red Bull Air Race Pilots participate in underwater crash survival training at ERGT training facilities on April 12, 2010 in Perth, Australia. Goulian, der froh über die Möglichkeit war, diese Extremsituation zu simulieren und zu trainieren, wie man zum Beispiel an die Sauerstoffflasche gelangt, erklärte, dass es für ihn am anstrengendsten war, dass sein Sitz auf dem Kopf stand. Und dass es für ihn beruhigend zu wissen war, dass bei jedem Red Bull Air Race-Training und jeder Rennsession trainierte Taucherteams für eventuelle Rettungseinsätze vor Ort sind und direkt eingreifen können. „Am schlimmsten ist es, wenn das Flugzeug auf dem Kopf liegt. Das Sicherheitstraining ist die beste Vorbereitung, die wir je erhalten haben. Die Anschnallgurte sind ähnlich. Es ist gut, dass die Sauerstoffflaschen dabei zum Einsatz kommen. Und es ist beruhigend zu wissen, dass die Taucher in der Nähe sind. All das gibt uns eine Menge Vertrauen.“

Eine interessante Erfahrung war das Unterwassertraining auch für den Kanadier Pete McLeod. Seine wichtigste Erkenntnis – für den Piloten ist es in einer solchen Situation am wichtigsten, Ruhe zu bewahren. „In diesem Augenblick geht soviel vor sich. Allein der Aufprall auf das Wasser ist unglaublich hart. Daher ist es wirklich gut zu wissen, wie man sich verhalten soll. Aber am wichtigsten ist es, Ruhe zu bewahren.“

Der Australier Matt Hall, früherer RAAF-Kampfpilot, hat während seiner Militärkarriere bereits einige ähnliche Trainingseinheiten absolviert und hält diese für absolut wichtig. „Solche Notfallsituationen zu trainieren bevor es wirklich einmal zum Ernstfall kommt, macht absolut Sinn. Es gibt einem Selbstvertrauen und man weiß, was man zu tun hat. Auf dem Kopf stehen ist das eine. Aber wenn gleichzeitig Wasser in die Nase läuft, ist das doch etwas völlig anderes.“

PERTH, AUSTRALIA - APRIL 12: Red Bull Air Race Pilots participate in underwater crash survival training at ERGT training facilities on April 12, 2010 in Perth, Australia. Auch Matthias Dolderer schloss sich den Meinungen der anderen Piloten an. Für den Deutschen war das Training und der Umgang mit den Sauerstoffflaschen wichtig, die alle Piloten im Flugzeug haben. „Wir mussten trainieren, an die Flaschen heranzukommen und sie zu benutzen“, so Dolderer. „Es war das erste Mal, dass ich das unter realen Bedingungen ausprobiert habe. Dafür hat es ganz gut geklappt, aber in einem Notfall ist es sicher noch etwas ganz anders. Es ist auf jeden Fall wichtig, solche Notfallsituationen zu testen und sich darauf vorzubereiten. Das kann möglicherweise lebensnotwendig sein.“

Das Red Bull Air Race wird unter strengsten Sicherheitsregeln durchgeführt und berücksichtigt dabei erdenklichen Sicherheitsaspekte, die bei einem Rennen notwendig werden können. Auch für Alejandro Maclean aus Spanien ist es wichtig, die entsprechenden Maßnahmen bei Not-Wasserungen zu beherrschen – auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass ein solcher Notfall eintritt. „Man ist kopfüber und völlig desorientiert, gleichzeitig muss man nach der Sauerstoffflasche greifen, atmen und handeln. Ich schätze es wäre hart, wenn einer von uns wirklich einmal einen Unfall im Wasser hätte. Und das realisiert man erst in einem solchen Sicherheitstraining. Wir alle denken ab und zu einmal an den ‚Ernstfall’. Und das müssen wir auch. Nicht, weil wir Pessimisten sind. Man muss so etwas immer auf der Rechnung haben, weil man permanent über die nächsten Schritte nachdenkt.“

Unglaublicher Lernprozess für die beiden Neuzugänge beim Red Bull Air Race

Während das zweite Rennen der Red Bull Air Race-Weltmeisterschaft 2010 in der westaustralischen Metropole Perth am 17./18. April seinen Schatten bereits voraus wirft, sind die beiden Rookies dieser Saison noch dabei, ihre Leistungen beim Auftaktrennen in Abu Dhabi sorgfältig zu analysieren und zu bewerten. Der Tscheche Martin Sonka und der Brasilianer Adilson Kindlemann erlebten Ende März in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate so etwas wie ihre „Feuertaufe“. Schwierigste Bedingungen mit drückend heißen Temperaturen und ständig wechselnden Winden im Parcours hatten allgemein zu unerwarteten und überraschenden Resultaten geführt.

Während Weltmeister und Titelverteidiger Paul Bonhomme ganz gelassen wieder auf die oberste Stufe des Siegerpodest flog, blieben zahlreiche andere Piloten von Disqualifikationen und Strafzeiten nicht verschont. Das wiederum eröffnete anderen, nicht unbedingt als Favoriten gehandelten Teams die Möglichkeit, wertvolle WM-Punkte im ersten Rennen der Saison 2010 zu holen.

FÜR SONKA WURDE EIN TRAUM WIRKLICHKEIT

Sonka, ein früherer Düsenjet-Pilot bei der Luftwaffe, blieb zwar im Lauf seiner Premieren-Rennwoche relativ gelassen. Doch je näher das Rennen rückte, umso nervöser wurde Sonka. „Mit der Super Licence ist für mich ein Traum wahr geworden“, sagte der fast 1,90 m (6ft) hochaufgeschossene Tscheche. „Ich kam erstmals als Kommentator für eine lokale TV-Station in Kontakt mit dem Red Bull Air Race, wusste also schon, dass ich mich qualifizieren muss, um teilzunehmen. Trotzdem war im Vorfeld zum ersten Rennen alles schon ein wenig verrückt. Wir mussten vor dem Rennen in Abu Dhabi so viel vorzubereiten und es war wirklich hart, alles rechtzeitig fertig zu bekommen. Aber jetzt bin ich richtig froh, dass ich an den Rennen teilnehmen kann. Es ist eine wirklich atemberaubende Erfahrung und ich genieße sie voll und ganz. Rennpilot zu werden war schon immer mein Traum.“

Und Sonkas Debüt war viel versprechend, mit seinem geschmeidigen und präzisen Flugstil beeindruckte der die Kollegen. Probleme bei der richtigen Einschätzung der wechselnden Winde im Parcours während des Wild Card-Rennens führten jedoch dazu, dass er ausschied und in Abu Dhabi keine WM-Punkt sammeln konnte.

„Das Red Bull Air Race ist etwas völlig anderes als alles, was ich bisher erlebt habe. Man muss einfach an alles denken“, ergänzt Sonka. „Man muss nicht nur den Wind auf der Rechnung haben, sondern auch jede Kurve und jedes Manöver genau planen, weil man überall Zeit verlieren kann. Man beschäftigt sich tagelang mit dem Parcours und dann ist man während der Qualifikation gerade einmal 1:20 Minuten auf der Strecke. Da kommt es ganz entscheidend auf eine gute Intuition an, denn im Parcours hat man nicht die Zeit, lange über alles nachzudenken. Man muss vorbereitet sein, auch darauf, die Pläne kurzfristig zu ändern, wenn der Wind plötzlich wechselt. Man muss flexibel sein und auch jederzeit bereit, sich auf neue Situationen einzulassen. Als Rookie gibt es für mich noch viel zu lernen.“

Mit der Entscheidung für seine neue Edge 540 ist Sonka sehr zufrieden. „Das Flugzeug ist fantastisch, einfach klasse. Es liegt nur ganz wenig über dem Minimalgewicht, das müssen wir noch reduzieren. Meine Hauptziele im Augenblick sind, das Flugzeug so gut wie möglich vorzubereiten, das Gewicht auf ein Minimum zu reduzieren und sicher zu fliegen. Je mehr Erfahrung ich sammele, umso konkurrenzfähiger bin ich dann bei den nächsten Rennen.“

AUCH KINDLEMANN OPTIMISTISCH

Der Brasilianer Adilson Kindlemann nahm seinen 14. Platz im Endklassement von Abu Dhabi relativ locker. Mit seinem langsamen und schrittweisen Vorgehen liege er im Plan: „Ich bin motiviert, zufrieden mit den Ergebnissen und freue mich über den Fortschritt, den ich bei jedem Flug mache“, erklärte der dynamische Pilot vom Team Petrobras, der seine erste Begegnung mit dem Red Bull Air Race beim Rennen in Rio de Janeiro 2007 gemacht hatte. „Ich habe keine große Fehler gemacht, allerdings einige Pylone touchiert – so ist das Leben. Aber insgesamt bin ich mit der Situation ganz gut zurecht gekommen. Also warten wir mal ab, wie es für mich in Perth läuft.“

Der lebhafte Brasilianer erhielt in Abu Dhabi einige Strafpunkte, ist aber nicht beunruhigt, dass ihm das in seiner Premieren-Saison noch häufiger passieren wird. Mit seiner markanten, gelbgrünen MXS-R vom Team Petrobras hofft Kindlemann auf etwas ruhigere Bedingungen im Parcours von Perth. Außerdem hat er in der Zwischenzeit die „alten Hasen“ gründlich studiert und versucht, sich dabei einige Flug- und Technik-Tipps abzuschauen.

„Schon als Kind habe ich vom Fliegen geträumt und jetzt ist es mein Leben“, erklärt Kindlemann. „Manchmal gibt es halt Enttäuschungen und man macht Fehler, aber man muss immer vorwärts blicken. 2007 in Rio habe ich gespürt, dass das der Weg ist, den ich einschlagen will. Es war so ein völlig anderer Zweig des Flugsports. Aber er funktioniert und ist wirklich professionell. Daher habe ich auch keinen Blick zurück verschwendet und mich voll und ganz darauf konzentriert, Red Bull Air Race-Pilot zu werden.“