Sonntags-Interview mit Matt Hall nach Vorfall über Detroit River

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Red Bull Air Race Qualifying am Samstag: Es sieht so aus, als stürzt Matt Hall ins Wasser. Wie ein Wunder hebt sich die Flugzeugspitze und er fliegt weiter. Ein Tag nach dem Ereignis spricht der australische Pilot über seine Gefühle und die Ursachen, die dadurch entstanden sind.

Wie fühlen Sie sich am Tag „danach“ ?
Ich fühle mich eigentlich genauso wie gestern. Enttäuscht darüber, dass dieser Vorfall passiert ist. Ich bin hier, um Rennen zu fliegen. Eigentlich hatte ich gestern ein gutes Gefühl, was meine Leistung betraf. Dann aber habe ich die Grenze hauchdünn überschritten – und daraus ergeben sich dann die fast katastrophalen Konsequenzen. Ich bin einfach darüber enttäuscht, diese Grenze überschritten zu haben. Positiv gesehen kann ich sagen, die Maschine ist schon auf dem Weg zur Reparatur und ich sollte sie rechtzeitig vor dem Rennen in New York wieder zurückhaben.

Sie haben wahre Kunstfertigkeit bewiesen, das wurde auf den Videos deutlich. Und Sie haben ja auch in ihrem Blog geschrieben, dass Sie sich fühlten „als ob Wasserzungen“ nach Ihnen griffen. Wie haben Sie sich aus dieser Situation befreit ?
Einige gratulierten mir zu meinem „tollen Flugmanöver“, aber ich sehe das aus einem ganz anderen Blickwinkel. Dass ich mich überhaupt in diese Situation gebracht habe, war eher ein „verunglücktes Flugmanöver“. Das alles ist immer eine Frage der Perspektive. Ich bin sehr kritisch mir selbst gegenüber. Ich habe getan was ich tun musste, um mich aus einer Situation zu befreien, in die ich mich selbst manövriert hatte. Damit, denke ich, gleicht sich das aus. Und ich bin mit einem nur geringen Schaden davongekommen.

Keine Verletzungen?
Nein, überhaupt keine Verletzungen. Der Aufprall auf das Wasser war im Cockpit ziemlich hart – aber nicht härter, als das was wir normalerweise im Cockpit zu spüren bekommen. Ich habe hinterher auf die Anzeige für die G-Kräfte geschaut und die war auch nicht höher als im Parcours. Ich habe also keine zusätzlichen G-Kräfte aufgebaut. Es war ein wenig eine Abwärtsbewegung. Aber ich war in dem Augenblick so mit mir selbst und der Situation beschäftigt, dass ich von allem nicht wirklich etwas mitbekommen habe.

Sie haben von früheren, schwierigen und kniffligen Situationen in Ihrer Militärkarriere erzählt. Haben Sie damals schon etwas Ähnliches erlebt?
Ich bin noch nie zuvor unabsichtlich auf die Erdoberfläche geknallt. Aber es stimmt, ich habe schon einige brenzlige Situationen erlebt, Beinahe-Zusammenstöße und das ein oder andere Mal bin ich dem Erdboden verdammt nahe gekommen, man hat auf mich geschossen und ich bin fast von einer Rakete getroffen worden. Kurzum, ich habe Situationen erlebt, bei denen mein Überleben auf der Kippe stand. Aber dies hier ist etwas anderes. Aber so etwas passiert eben, wenn man am Limit der Fliegerei lebt. Jeder weiß, dass es eine ganze Reihe von Risiken gibt. Aber man wägt diese Risiken und seine Sicherheitsspielräume ab. Und wenn man in brenzligen Situationen diesen Spielraum nicht mehr hat, alles andere aber unter Kontrolle bleibt, stehen die Chancen häufig zu Deinen Gunsten.

Sie sagten gestern, Sie würden vielleicht die Auswirkungen des Vorfalls etwas später zu spüren bekommen. War das so oder haben Sie inzwischen alles verdaut?
Letztendlich waren die Auswirkungen am Ende weniger heftig als ich anfangs dachte. Im Grunde habe ich ‚nur’ einen Fehler gemacht und bin mit dem Schrecken davon gekommen. Ich bin mir sicher, dass mir die Erfahrungen von Adilson Kindlemanns Unfall auch ein wenig Sicherheit gegeben haben. Mir war bewusst, dass ich nicht Millisekunden von meinem Tod entfernt war, sondern nur Millisekunden davon, mein Flugzeug in einen Totalschaden zu verwandeln, im Wasser zu landen und gerettet zu werden. Das gibt unheimlichen Mut – zu wissen, dass man grundsätzlich in einer Situation ist, aus der man lebend herauskommt. Wie im Motorrennen. Man fährt gegen die Wand, überschlägt sich mit dem Auto, man wird da rausgeholt, verbringt die Nacht im Krankenhaus, das Auto ist ein Totalschaden – aber man ist in der darauffolgenden Woche wieder am Start und fährt sein nächstes Rennen.

Was passiert nun mit dem Flugzeug?
Die Rennmaschine befindet sich jetzt auf einem LKW auf dem Weg in Richtung North Carolina zur Reparatur. Ich hatte sowieso vorgehabt, in der nächsten Woche dorthin zu reisen. Es ist damit zu rechnen, dass man sie in weniger als einer Woche wieder hinbekommt. Wenn sie fertig ist, werde ich hinfahren, einige Testflüge absolvieren, auch um wieder ein Gefühl für das Flugzeug und Selbstsicherheit zu bekommen. Und dann geht es hoffentlich in Richtung New York, rechtzeitig zum nächsten Rennen.

Es sollte also kein Problem sein, in New York an den Start zu gehen?
Ich will nicht behaupten, es wäre kein Problem. Aber zu diesem Zeitpunkt sieht alles so aus, als ob es klappen könnte.

Welche Schäden waren das genau an Ihrem Flugzeug?
Der Radkasten, das Querruder. Und wir müssen die Fahrwerkgestellaufhängung am Rumpf überprüfen, weil der Aufprall an dieser Stelle ziemlich hart war. Und auch der hintere, rechte Flügel hat etwas abbekommen. Wir wollen sichergehen, dass das alles nur kosmetische und keine strukturellen Schäden sind.